Geschichte von Scheiblingkirchen

Mission und Christianisierung

Über die ersten Missionsansätze und Christianisierungsversuche im 8. und 9. Jahrhundert sind nur wenige historisch gesicherte Ereignisse bekannt. Eventuell bereits vorhanden gewesene christliche Ansätze wurden durch die Magyareneinfälle, die nach dem Tod König Arnulfs im Jahre 899 einsetzten, ausgelöscht. Im Juli des Jahres 900 berichten bayrische Bischöfe nach Rom, daß im gesamten pannonischen Raum alle vormals vorhandenen Kirchen zerstört worden seien. Erst in den Jahren 971 und 972 reiste dann der Missionar Wolfgang nach Ungarn, um wieder das Evangelium unter die dort lebenden Menschen zu bringen. Auf dieser Reise kam der später Heiliggesprochene auch durch die Bucklige Welt, wo er den Nachkommen der - vor dem Magyarensturm in die dichten Urwälder geflüchteten - Slawen, Romanen und deutschen Kolonisten das Evangelium predigte. 

König Ludwig der Deutsche schenkte jedenfalls im Jahre 860 der Kirche auf Ersuchen des Erzbischofs Aldawin vierundzwanzig Gehöfte. Darunter war auch der "auf der Straße nach Güns an einer Zweigstraße gelegene Hof zu Thernberg". Wahrscheinlich handelt es sich bei dem angegebenen Hof um den heutigen Stanghof, in dessen unmittelbarer Nähe sich früher tatsächlich die Handelsstraße nach Güns und der Weg durch das Schlattental kreuzten. In diesem "Hof zu Thernberg" haben sich - so wird noch heute erzählt - die Babenberger Kreuzritter in den Jahren zwischen 1147 und 1149 versammelt, ehe sie zu ihren Kreuzzügen ins Morgenland aufbrachen.

Burg Püttenau

Die legendäre Burg Püttenau dürfte sich auf jenem Hügel im Pittental befunden haben, auf dem sich seit dem Jahre 1821 der Friedhof befindet. Da beim Aushub von Gräbern bisher jedoch keinerlei Mauerreste ans Tageslicht kamen, nimmt man an, daß die Burg aus Holz gebaut war, ähnlich einem "Fort", wie wir es aus der Zeit der Eroberung des amerikanischen Westens kennen.

Die Bischöfe von Salzburg machten ihren Besitzanspruch auf die Bucklige Welt bereits im Jahre 977 geltend. Doch erst 1042, als Gottfried von Wels-Lambach, der Sohn Arnolds II., die Ungarn in der Schlacht von Pitten vernichtend schlug und der Ungarnkönig das Gebiet westlich der Leitha an Kaiser Heinrich III. abtreten mußte, wurde das Gebiet befreit. Graf Gottfried konnte nach seinem Sieg ausgedehnte Landstriche einstreifen. Danach ging die Christianisierung der Buckligen Welt rasch voran, ein Verdienst der Chorherren von Reichersberg. Gottfried selbst gründete auf seinen Ländereien die Pfarren von Pitten und Neunkirchen. Gottfrieds Tochter Mathilde, die Gattin von Eckbert 1. von Formbach, ließ einige Güter dem Kloster Formbach zukommen, welches bei Gloggnitz eine Mönchszelle einrichtete. Von Gloggnitz aus wurde in zunehmendem Maße der Versuch gestartet, kirchlichen Zehent von den Siedlern einzutreiben. Sehr zum Ärger der Erzdiözese in Salzburg, die für das Gebiet das Zehentrecht besaß. Durch die Formbacher "Übergriffe" befürchteten die Bischöfe von Salzburg, Einfluß und Zehent zu verlieren. Um diesen Zustand zu beenden, führte Erzbischof Konrad von Salzburg in der ersten Hälfte des 12. Jahrhunderts mit dem Formbacher Abt Wernto zur Geltendmachung und Regulierung des Zehentrechtes einen Tausch durch. Er schenkte im Jahre 1144 das Abgabenrecht von Pitten und Bromberg dem Stift Reichersberg. Die Reichersberger verpflichteten sich ihrerseits, für die seelsorgerische Betreuung des waldreichen und dünn besiedelten Gebietes zu sorgen. Mit nachhaltiger Wirkung, die man daraus ersehen kann, daß noch heute das Stift Reichersberg in sieben Pfarren und einer Expositur seelsorgerisch tätig ist.

Entwicklung der Pfarren Scheiblinkirchen und Thernberg

Durch Jahrhunderte ist die Entwicklung der Pfarre von Scheiblingkirchen eng mit der von Pitten verknüpft. Dennoch wurde wahrscheinlich im Jahre 1149 - Aufzeichnungen über Bau und Weihe existieren weder in Pitten noch im oberösterreichischen Reichersberg - durch die Ministerialen von "Glizenveld" eine Rundkirche in "Puechperg", dem heutigen Scheiblingkirchen, errichtet und vom Salzburger Erzbischof Eberhard 1. dem heiligen Rupert und der heiligen Magdalena geweiht. Eine Urkunde, die die Weihe der Kirche Thernberg zum Inhalt hat, ist leider undatiert. Diese wurde vom Chronikschreiber Buz "ad annum 1147" eingereiht.

Der Historiker Josef Lechner geht im Jänner 1996 in seinen Betrachtungen zur Kirchweihe von Scheiblingkirchen und Thernberg davon aus, daß durch die damals sehr schwierigen Reisemöglichkeiten die Wahrscheinlichkeit, Erzbischof Eberhard 1. hätte die beschwerliche Reise innerhalb von zwei Jahren zweimal auf sich genommen ‚ sehr unwahrscheinlich ist. Daß der Erzbischof im Jahre 1149 die Kirche von Thernberg weihte, gilt hingegen als sicher. Daher kann auch die Weihe der Kirche von Scheiblingkirchen mit dem selben Datum und nicht, wie bisher angenommen, mit dem Jahr 1147 angenommen werden. Diese ersten Kirchen von Scheiblingkirchen und von Thernberg wurden von der Pfarre Pitten losgelöst, was ab dem Jahre 1189 zur Folge hatte, daß dem Kaplan von Scheiblingkirchen ein beschränktes Pfarrecht eingeräumt wurde. Dieses umfaßte das Begräbnisrecht für das Hausgesinde und den Schloßherrn sowie das Tauf recht für je ein Kind am Karsamstag und am Pfingstsonntag.

Rudolf von Habsburg reiste, um seine Hausmacht in der Region unter Beweis zu stellen, im Jahre 1272 von Wien nach Graz. Mit seinem Gefolge nächtigte er unter anderem in Aspang. Dabei sprach er den Herrschaften von Pitten,Thernberg und Aspang die Landgerichtsrechte zu. Ebenso wie Thernberg erfreute sich Scheiblingkirchen der Gunst durch die Habsburger.

Freiheitsbrief für Gleißenfeld und Scheiblingkirchen
durch Königin Elisabeth im Jahre 1324

Am 6. Dezember des Jahres 1324 stellte Königin Elisabeth, die Gemahlin Albrechts 1., einen Freiheitsbrief für Gleißenfeld und Scheiblingkirchen aus. In diesem bestätigte sie die von alters her bestehenden Rechte. Dazu gehörten Maut- und Zollfreiheit in allen Städten und Märkten für alle Waren, die sie verkauften, aber auch für jene, die sie eintauschten. Mit Ausnahme von Totschlag, Notzucht und Diebstahl konnten die Herrschaften Gericht halten und Recht sprechen. Zuletzt wurde dieser Freiheitsbrief von Kaiserin Maria Theresia am 1. Juni 1742 bestätigt.

Im 14. Jahrhundert nennen sich die Scheiblingkirchner Kapläne Pfarrer von Puchberg. Katharina, die Gemahlin von Rudolf IV., übertrug der Pfarrei am 17. Juli 1361 das sogenannte Wechselhaus - hier befindet sich heute das Kaufhaus Kahofer (nunmehr Koller) - und alle Fischweiden im Bereich der Kirche und des Pfarrhofes, eine Unterstützung, die später an Wiener Neustadt abgetreten werden mußte.

Weinbau im 14. Jahrhundert

Entweder war das Klima im 14. Jahrhundert milder oder aber die Magenschleimhäute der Menschen unempfindlicher. Jedenfalls betrieben die Menschen in der Gemeinde Weinanbau. Darauf weist eine Ein- tragung, in der vom “Weinzehent“ die Rede ist, hin. Das Ergebnis der Winzertätigkeiten dürfte wohl ein sehr saurer Rebensaft gewesen sein.

Scheiblingkirchen liegt am Fuß des Buchberges, der dem Ort seinen ursprünglichen Namen "Puechperg" gegeben hat. Im Jahre 1372 taucht neben der alten Bezeichnung zum ersten Mal in einer Urkunde "Scheiblachkirchen" für die Ansiedlung auf. Namensgeber für die neue Bezeichnung ist wahrscheinlich das in der Grundform einer Scheibe erbaute Gotteshaus, denn im Jahre 1529 wurde die Wehrkirche noch als "Scheyblkirchen" beschrieben. Diese Scheibenkirche bot den Bewohnern des Ortes bei feindlichen Überfällen Zuflucht. Bei der jüngsten Renovierung im Jahre 1996 wurde der sich in der Kirche befindliche Brunnen mit dem neuen Fußboden abgedeckt. Er befindet sich in der Nähe des linken Chorpfeilers. Die zwei Meter dicken Mauern, die versteckten Stiegenaufgänge und die Schießscharten sind Beweise für den Wehrcharakter des Gotteshauses.

Felix Kaeser erster Pfarrvikar von Scheiblingkirchen

Am 3. August 1782 hatte die Gemeinde, die damals bereits vierundsiebzig Familien mit siebenhunertneunundachtzig Menschen vereinte, den Kaiser um Entsendung eines eigenen Geistlichen gebeten. Der damalige Propst des Stiftes Reichersberg, Amros Kreuzmayr, stimmte dem Wunsch der Scheibingkirchener zu. Der Pittener Kooperator Felix Kaeser wurde am 25. August 1783 als erster Pfarrikar von Scheiblingkirchen von Bischof Heinrich Johann eingesetzt.
Am 4. November 1783 erfolge die Loslösung Scheiblingkirchens von Pitten. Aus den Dörfern Ober- und Untergleißenfeld, Witzelsberg, Warth und Petersbaumgarten sowie siebzehn verstreut liegenden Bauernhöfen entstand schließlich die Pfarre Scheiblingkirchen. Seither waren über zwanzig Pfarrer in der Pfarre tätig. Die Wehrkirche wurde erst in den vergangenen Jahren renoviert, die letzten Schäden nach dem schweren Erdbeben von 1972 behoben. Dabei entdeckten die Restaurateure hinter altem Verputz noch ältere Fresken aus dem 15. bis 16. Jahrhundert. Sie stellen die Krönung Marias dar.

Erzherzog Johann erwirbt Schloss Thernberg

Erzherzog Johann, der "steirische Prinz", der eine Postmeisterstochter aus dem Ausseerland geheiratet hatte, litt, nachdem sein Vater Leopold II. auf den kaiserlichen Thron berufen worden war, sehr unter dem strengen Hofzeremoniell. Nach dem Tod des Vaters im Jahre 1792 nahm Johanns Bruder Franz diesen Platz ein. Dadurch fühlte sich Johann noch mehr eingeengt. Er wollte weg von der Hofburg und entdeckte auf seinen zahlreichen, oft schwierigen Wanderungen in der Natur die "Droge Freiheit". Als das Schloß Thernberg im Jahre 1807 vom griechischen Kaufmann Constantin Wlasto zum Verkauf feilgeboten wurde, schlug der freiheitsliebende Erzherzog zu. Thernberg wurde für ihn zum Fluchtort vor der Muffigkeit und gespreitzten Dekadenz des kaiserlichen Hofes in Wien. Hier konnte er sich seinen Neigungen hingeben. Er ließ das Schloss komplett renovieren und brachte darin seine historischen und naturwissenschaftlichen Sammlungen unter. Hier begann der Erzherzog, der auch als "Hanns der Thernberger" bekannt wurde, sich schließlich mit der Landwirtschaft und dem Gartenbau auseinanderzusetzen. Er ist quasi der "Vater des Mostes" in der Buckligen Welt, denn inThernberg entwickelte er die ersten Ansätze einer systematischen Obstbaumzucht. Es war ihm ein Anliegen, die umliegenden Landwirte in der Kultivierung der Obstbäume zu unterrichten.

Auch das Brauchtum war dem Hanns ein Anliegen. Er beauftragte seinen Verwalter, Paul Göttersdorfer, das lebendige Liedgut zu sammeln und aufzuzeichnen. Möglicherweise wären schon viele alte Volksweisen ohne die Initiative des Erzherzogs längst für immer verrloren. Eine ganze Reihe von Kunstwerken, darunter ein überlebensgroßes Kruzifix, verdanken die Gemeinde und die Pfarrkirche Thernberg dem volkstümlichen "Hanns dem Thernberger". Erzherzog Johann ist in der Gemeinde noch heute durch die Erzherzog Johann - Dokumentation lebendig, die im ehemaligem Mesnerhaus in Thernberg untergebracht ist.

Weniger angenehm sind die Erinnerungen an die - immer wieder über die Menschen hereinbrechenden - Naturgewalten. Im Jahre 1846 wurde nach heftigen Unwettern der ganze Ort derart überflutet, daß das Pfarrgebäude in Scheiblingkirchen einen dreiviertel Meter unter Wasser stand. Der Pfarrer und seine Wirtschafterin - so erzählt die Chronik - mußten mit einem Sautrog zur Kirche rudern. Heftige Erdbeben beschädigten in der Vergangenheit immer wieder Häuser und die schei- benrunde Wehrkirche. Das letzte heftige Beben war im Jahre 1972.

Entwicklung der Industrie nach der Revolution 1848

Nach der Revolution des Jahres 1848 übernahmen die neugeschaffenen Gemeinden die bisherigen Rechte der Grundherrschaften. Das Gemeinwesen erfuhr eine Neuordnung. Die Industrie entwickelte sich langsam - und zuweilen lautstark, denn im Pulverwerk geschahen immer wieder schreckliche Unfälle, die zahlreiche Todesopfer forderten. Die Explosionen in der - für den Bau der Gloggnitzer Eisenbahn - errichteten Sprengstoffabrik erschreckten die Menschen der Umgebung zu Tode. Am 21. Dezember 1849 um zehn Uhr vormittags flog eine Pulverstampfe in die Luft. Dabei wurde ein Arbeiter getötet und einer lebensgefährlich verletzt. Am 19. April 1850, ungefähr zur selben Zeit, explodierten alle vier Pulverstampfen gleichzeitig. Dabei wurden drei Arbeiter getötet. Am 19. Oktober desselben Jahres ereignete sich erneut eine heftige Explosion.

Im Jahre 1902 wurde auf Initiative des Realitätenbesitzers Karl Müller, der auch Gründungshauptmann der 1896 gegründeten Freiwilligen Feuerwehr war, eine elektrische Ortsbeleuchtung errichtet. Die Sensation des Jahres 1924 war der erste Scheiblingkirchner Radioempfangsapparat, der im Pfarrhof installiert wurde.

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Scheiblingkirchen im Jahre 1914

Gemeindezusammenlegung Scheiblingkirchen-Thernberg 1971

Die Marktgemeinde Scheiblingkirchen-Thernberg gibt es in der jetztigen Form erst seit dem 1. Jänner 1971. Damals wurde die vorherige Gemeinde Thernberg der Gemeinde Scheiblingkirchen einverleibt.

Seit 1989 ist die Gemeindekanzlei im neuen Gemeindehaus, dem ehemaligen Hotel Tauchner, untergebracht. Das alte Gemeindehaus, das im Jahre 1957 errichtet wurde, beherbergt heute die Raiffeisenkasse, die aus dem im Jahre 1894 gegründeten Raiffeisensparverein hervorging.

Ein ehrgeiziges Umweltprojekt für die Region war die Errichtung eines Abwasserkanalsystems. Den Abschluß fand das zweiundachtzig Millionen Schilling teure Unternehmen mit der feierlichen Eröffnung der Verbandskläranlage für die Gemeinden Scheiblingkirchen, Warth und Bromberg am 23. Oktober 1999.

Für die Besucher der Marktgemeinde führen gemütliche, gut beschilderte Spazierwege zu den schönsten Aussichtspunkten. Der Türkensturz befindet sich in einem Naturpark mit einem gut ausgebauten Wanderwegenetz, Rastplätzen, Klettersteigen, einem Kinderspielplatz, einer Schutzhütte und einer Grillanlage und bietet einen besonders beeindruckenden Ausblick über das darunterliegende Pittental. Auch die Bärenhöhle, die hohe Wacht, die RuineThernberg und die Annenruh sind Ziele von Wanderwegen. Die Gemeinde durchquert auch der europäische Fernwanderweg “Pyrenäen-Jura-Neusiedler See.

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